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Wie das Nestmodell Kindern und Eltern nach einer Trennung Stabilität geben kann
Eine Trennung mit Kindern ist eine der größten Herausforderungen, vor der Eltern stehen. Gefühle von Schuld, Angst, Sorge um die Kinder und Unsicherheit über die eigene Zukunft sind ständige Begleiter in dieser Phase.
Oft hören Eltern von außen: „Ihr müsst euch zusammenreißen, das Kind darf nicht leiden.“.
Aber was bedeutet das konkret im Alltag?
Das Nestmodell kann eine Möglichkeit sein, den Kindern Stabilität und Sicherheit zu geben. Während die Eltern ihre eigenen Wege gehen und dennoch gemeinsam Verantwortung übernehmen.
Doch wie funktioniert das in der Praxis wirklich, und was braucht es, damit das Modell gelingt?
Was ist das Nestmodell?
Das Nestmodell bedeutet, dass die Kinder im gewohnten Zuhause bleiben, während die Eltern sich abwechselnd um die Kinder kümmern, indem sie tage- oder wochenweise in die Familienwohnung zurückkehren.
So vermeiden die Kinder das ständige Pendeln zwischen zwei Haushalten. Sie dürfen ihre vertraute Umgebung behalten, inklusive Freundschaften, Hobbys und dem eigenen Bett, in dem sie abends einschlafen.
Für viele Kinder bedeutet das Sicherheit und Stabilität in einer Zeit, in der sich vieles verändert.
Für die Eltern bedeutet es, Verantwortung zu teilen und weiterhin gemeinsam für die Kinder da zu sein. Auch wenn die Paarbeziehung endet.
Vorteile des Nestmodells – tiefer erklärt
1️⃣ Stabilität und emotionale Sicherheit:
Kinder erleben keine ständigen Brüche, sondern bleiben in ihrer gewohnten Umgebung. Dadurch reduziert sich ihre emotionale Belastung. Sie können morgens ohne Stress in die Schule gehen, ihre Spielsachen bleiben an Ort und Stelle, und sie müssen sich nicht wöchentlich umstellen.
2️⃣ Konstante soziale Kontakte:
Freundschaften, Sportverein und Schule bleiben unberührt. Das bedeutet weniger emotionale und organisatorische Belastung und ermöglicht den Kindern, ihren Alltag trotz Trennung fortzuführen.
3️⃣ Verantwortungsvolle Elternschaft:
Eltern teilen sich weiterhin aktiv die Betreuung. Sie müssen in Kommunikation bleiben und lernen, sich als Elternteam zu verstehen, auch wenn die Paarbeziehung beendet ist.
4️⃣ Vermeidung zusätzlicher Belastungen:
Gerade für jüngere Kinder kann das Pendeln zwischen zwei Haushalten Stress verursachen. Doch kann der durch das Nestmodell vermieden werden.

Die Variante mit der Nachbarschafts-WG: Ein Praxisbeispiel
Manche meiner Klienten haben das Nestmodell erweitert umgesetzt:
Die Eltern mieten gemeinsam eine WG-Wohnung in der direkten Nachbarschaft. Jeder Elternteil hat dort ein abschließbares eigenes Zimmer, während Küche und Wohnzimmer als Gemeinschaftsräume zur Verfügung stehen.
In der Praxis bedeutet das:
- Der Elternteil, der gerade „frei“ hat, übernachtet in der WG, während der andere Elternteil bei den Kindern in der Ursprungswohnung ist.
- Die Übergabe erfolgt als Ritual: Die Familie kocht und isst gemeinsam, bespricht, was in der kommenden Woche ansteht, welche Termine wichtig sind und was in der letzten Woche besonders war.
Dieses Ritual hat eine enorme Wirkung:
Es macht beiden Eltern bewusst, dass der Konflikt, der zur Trennung geführt hat, auf der Paarebene stattgefunden hat, während die Elternebene bestehen bleibt.
Das gemeinsame Übergabeessen wird so zu einem Raum, in dem Konflikte nicht wieder aufbrechen müssen, sondern Eltern in ihrer Verantwortung gemeinsam präsent sind.
Für die Kinder bedeutet dieses Ritual:
➡️ Sicherheit und Verbindung
➡️ das Gefühl, dass Mama und Papa sich trotz Trennung um sie kümmern
➡️ weniger Angst, zwischen den Eltern vermitteln zu müssen
Herausforderungen und persönliche Entwicklung
Das Nestmodell fordert Eltern heraus:
- Emotionale Reife: Eltern müssen lernen, alte Konflikte nicht in den Alltag mit den Kindern zu tragen.
- Abgrenzung: Die Trennung zwischen Paar- und Elternebene muss aktiv gestaltet werden.
- Kommunikation: Offenheit und regelmäßige Absprachen sind entscheidend.
- Organisation: Absprachen zu Finanzen, Einkäufen, Terminen und Haushaltsaufgaben sind notwendig.
Viele Eltern berichten, dass sie während der ersten Monate Unterstützung durch eine Mediation oder durch ein begleitendes Coaching brauchen, um ihre Kommunikation neu zu gestalten.
Die gute Nachricht: Eltern, die bereit sind, an sich zu arbeiten, gewinnen nicht nur Klarheit für die Elternschaft, sondern auch für zukünftige Partnerschaften und ihre persönliche Entwicklung.
Für wen eignet sich das Nestmodell?
Dieses Modell eignet sich besonders für Eltern, die:
- bereit sind, als Elternteam zusammenzuarbeiten, auch wenn die Paarbeziehung beendet ist.
- offen für eine regelmäßige, klare Kommunikation sind.
- bereit sind, emotionale Verantwortung zu übernehmen und Konflikte zu reflektieren, statt sie auszutragen.
- finanzielle und organisatorische Voraussetzungen schaffen können, um die Struktur umzusetzen.
- den Fokus auf das Wohl der Kinder legen und deren Stabilität ins Zentrum stellen.
Ein Erfahrungsbeispiel aus meiner Praxis
Eine Familie, die ich begleitet habe, berichtete nach einem Jahr:
„Am Anfang war es schwer, weil wir bei jedem gemeinsamen Essen in alte Streitmuster gerutscht sind. Doch wir haben gelernt, dass wir nicht über unsere Paarprobleme sprechen müssen, sondern darüber, was die Kinder brauchen. Heute sind diese Übergabe-Abende sogar etwas, worauf sich die Kinder freuen, weil wir dabei alle zusammen kochen. Sie wissen: Mama und Papa sind für uns da, auch wenn sie nicht mehr zusammen sind.“
Dieses Beispiel zeigt: Das Nestmodell ist kein Allheilmittel, aber es kann ein Weg sein, Kinder in einer Trennungssituation zu stabilisieren, während die Eltern ihre Rollen neu finden und Klarheit schaffen.
Fazit
Das Nestmodell kann eine wertvolle Möglichkeit sein, Kindern nach einer Trennung Stabilität und Sicherheit zu geben. Die erweiterte Form mit einer Nachbarschafts-WG und Ritualen bei der Übergabe kann Eltern helfen, die neue Familiensituation bewusst, friedlich und kindgerecht zu gestalten.
Es erfordert Mut, Eigenverantwortung und die Bereitschaft, an der eigenen Kommunikation zu arbeiten, doch es kann der Beginn eines neuen, respektvollen Miteinanders sein – im Sinne der Kinder.
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